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Haus voller Wolken

Von Fabian
Haus voller Wolken
Querverlag

Diagnose: Alzheimer. Für Karsten und Roman bricht eine Welt zusammen, denn die Krankheit verändert ihre Beziehung, ihren Alltag, ihr Leben. Jan Stressenreuter hat einen einfühlsamen wie erschreckenden Roman übers Vergessen geschrieben.

"Wo ist es? Wo ist es? Es ist einfach nicht da!", ruft Karsten verzweifelt immer wieder. Er weiß nicht, was er sucht, und trotzdem kann er nicht damit aufhören. Obwohl er erst Mitte 50 ist, ist er an Alzheimer erkrankt. Wie ein Leitmotiv zieht sich diese verzweifelte Suche durchs ganze Buch. Alles hat schleichend angefangen. Er hat seine Autoschlüssel vergessen, ist in Hausschuhen auf die Arbeit zur Arbeit gefahren oder verirrt sich beim Joggen.

Doch die Krankheit wird immer schlimmer. Roman kann seinen Freund kaum noch alleine zu Hause lassen, muss ihn ständig überwachen. Es ist schlicht zu gefährlich: Sein Partner könnte sich verletzen oder wieder einmal komplett die Orientierung verlieren, wenn er das Haus verlässt. Schnell merkt der Leser, wie anstrengend das Ganze für Roman ist: Er hat kein eigenes Leben mehr. Es gibt keine freien Minuten.

Roman kann nicht mehr. Und er will nicht mehr

Jan Stressenreuters Roman verläuft nicht chronologisch. Immer wieder wird zwischen Vergangenheit und Gegenwart gesprungen. So erfährt der Leser alles über Romans und Karstens Beziehung, ohne gelangweilt zu werden. Nach und nach ergeben die vielen Puzzlestücke ein großes Ganzes.

So kommt es auch, dass das Ende recht bald klar ist: Der Roman steuert auf Karstens Abschiedsparty hin. Denn Roman muss sich schweren Herzens eingestehen, dass er mit der Situation überfordert ist. Er kann es neben seinem Beruf als Krankenpfleger nicht leisten, seinen Mann 24 Stunden zu betreuen und zu pflegen.

Und er will es auch gar nicht mehr. Stressenreuter schafft es durch eine sehr sensible, einfühlsame Sprache, Romans inneren Konflikt zu beschreiben. Natürlich liebt er Karsten und er will ihn nicht abschieben. Andererseits merkt er immer öfter, dass er nicht mehr kann. Er ist ausgelaugt, völlig fertig. Was würde er nur für ein paar ruhige Minuten geben?

Karsten nennt ihn Peter, wie seinen Exfreund

Gleichzeitig weiß Roman, dass Karsten einfach nichts dafür kann. Er verirrt sich nicht absichtlich in der Nachbarschaft, er pinkelt nicht einfach so mitten in ein Kaufhaus. Karsten ist krank. Der Leser bekommt Mitleid mit Karsten aber auch mit Roman, der immer wieder erklären muss, was mit seinem Partner los ist.

So entsteht ein Hass auf die Krankheit. Die Alzheimer-Krankheit, die für Karstens Demenz verantwortlich ist, scheint aktuell im Trend zu liegen. Sei es die deutsche Produktion "Honig im Kopf" von Til Schweiger oder "Still Alice" mit Julianne Moore das Thema war zuletzt vor allem im Kino präsent. Zurecht: Alleine in Deutschland leben 1,3 Millionen Menschen mit Alzheimer.

Querverlag

"Haus voller Wolken" konfrontiert uns mit einer Krankheit, die in einer alternden Gesellschaft zukünftig noch häufiger auftreten wird. Der Roman zeigt uns, wie ein glückliches Paar urplötzlich aus den Bahnen gerissen wird. Die Gewissheit, dass Karstens gesundheitlicher Zustand sich immer weiter verschlechtern wird, macht Roman wahnsinnig. Karsten erinnert sich nicht einmal mehr an dessen Namen, nennt ihn Peter, wie sein Exfreund heißt.

Der Roman verliert seine positive Grundstimmung nicht

Wie weit geht Liebe? Kann sie enden? sind Fragen, die der Roman stellt. Es gibt Momente, in denen Roman seinen Mann anschreit und unfassbar wütend auf ihn ist. Gleichzeitig hat er die Hoffnung auf ein neues Leben, sobald Karsten im betreuten Wohnen unterkommt.

Der Autor Jan Stressenreuter beweist sein Talent für eine wohldurchdachte Story, die einer klaren Dramaturgie folgt. Außerdem findet er eine präzise Sprache, die uns unmittelbar am Geschehen teilnehmen lässt. Schonungslos ehrlich und auf den Punkt beschreibt er das Schicksal, dem Karsten und Roman ausgesetzt sind. Trotzdem macht der Roman nicht traurig und verliert seinen positiven Grundton nicht. Demenz scheint für uns weit weg zu sein das dachten Roman und Karsten allerdings auch.

Jan Stressenreuter
HAUS VOLLER WOLKEN

336 Seiten | Softcover |
ISBN 978-3896562319 | 16,90 EUR (D)

Querverlag, Berlin 2015

Weitere Quellen: Querverlag

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