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Ungerecht

Von DBNA Team
Ungerecht
madochab / photocase.com

Manche Eltern verdienten ihre Kinder nicht, findet Oliver Spinedi. Als schwuler Mann darf er keine Kinder haben. Umso ungerechter findet er es deshalb, dass alle Heteros Eltern werden dürfen - egal wie verantwortungslos sie diese Rolle teilweise ausfüllen.

14.38 Uhr, Berlin, Insel der Jugend, ein Sonntag. Ein Sommertag, wie er ausdrücklich nicht im Buche steht. Es ist kalt, ein eher herbstlicher Wind weht uns um die Nase und zwischendurch überrascht uns immer wieder mal Nieselregen. Doch dem Wetter zum Trotz hat es mich und meine Freundin Kerstin, die dieses Wochenende zu Besuch ist, nach draußen verschlagen, um zumindest ein bisschen Natur am Wochenende genossen zu haben. Nach einem längeren Spaziergang haben wir uns in einer kleinen Strandbar niedergelassen, um uns einen Moment lang aufzuwärmen und beobachten das Treiben um uns herum.

Ein kleiner Junge gesellt sich an den Nebentisch, an dem ein Mann gelangweilt in einem der vielen kostenlosen Stadtmagazine blättert. Der Junge zeigt ihm eine Collage, die er offensichtlich gerade gebastelt hat. Erst jetzt fällt mir weiter hinten auf dem Gelände ein großer Basteltisch auf, an welchem auch noch andere Kinder fleißig Bilder malen oder basteln, und interessiert schaue ich dem kreativen Treiben zu.
"Manche Leute verdienen es nicht, Kinder zu haben!"

Nicht so allerdings der Papa nebenan. Ein kurzes knappes "Ja, schön!", mehr Reaktion bekommt der Junge von seinem Papa nicht. Dabei hat er die Collage seines Sohnes nicht einmal angeschaut. Das merkt auch der Junge und versucht deshalb, seinem Papa zu erklären, was es mit seiner Collage auf sich hat. Doch der ist schon wieder abwesend. Er dreht sich eine Zigarette und schaut weiter in sein Magazin.

"Manchmal ist das Leben einfach ungerecht," murmele ich. "Wieso denn?" fragt Kerstin, die von der ganzen Szene nichts mitbekommen hat. "Ich finde einfach, manche Leute verdienen es nicht, Kinder zu haben!" Eigentlich war es nur laut gedacht, aber meine plötzlich aus dem Nichts aufgetauchte Wut verstärkt meine Stimme und ich spreche es so laut aus, dass es zumindest unsere Nachbartische mitbekommen. Auch der Papa.

Zwar schaut er immer noch vertieft in sein bescheuertes Blatt, aber in seinem Blick erkenne ich deutlich, dass er mich gehört haben muss und dass er versteht, dass er gemeint war. Kerstin blickt mich erschrocken an und mein Ärger lässt es meine Gedanken nur so aus mir heraussprudeln.
Oliver Spinedi sinniert 23 Minuten lang über das Leben.
Oliver Spinedi sinniert 23 Minuten lang über das Leben.
privat
Normalsein - was ist das schon? Überforderte Mütter vielleicht?

Schwule und lesbische Paare dürfen keine Kinder haben. Weil es dem Großteil der Natur und der Auffassung von "Normalsein" der meisten Menschen widerspricht. Aber ist eine Familie, in der es Mama, Papa und vielleicht Geschwister gibt, die einzig "richtige". Können Kinder nur dann glücklich sein?

Ich denke zurück an meine Arbeit als Castingassistent in einer Film- und Fernsehproduktionsfirma, an ehrgeizige Eltern, die ihre Kinder zum Casting vorstellen, weil sie die Träume ihrer Eltern verwirklichen sollen. Ich denke an die viel zu vielen, viel zu jungen Mütter, die schlicht und einfach überfordert mit ihrer Situation als Mutter sind, weil sie von ihren Männern sitzen gelassen wurden, und wie es wohl für diese Kinder sein wird.

Ich denke an meinen Ex-Freund, der mal meinte, es wäre die größte Enttäuschung seines Lebens, wenn er niemals Kinder haben würde. Plötzlich fallen mir auch Simone und Christian ein, die sich als Lesbe und Schwuler zusammen getan haben, um ein Kind zu bekommen, und die sich nun ständig über den Kleinen streiten.

15.01 Uhr, Berlin, Insel der Jugend, ein Sonntag. Ein Sommertag, wie er ausdrücklich nicht im Buche steht. Ich stehe auf, bringe unsere Kaffeetassen weg und begreife zumindest eines: gute Eltern sind nicht homo, hetero, bi, Liebespaar oder Lebensgemeinschaft oder was auch immer. Gute Eltern sind diejenigen, die sich auf ihre Kinder einlassen und den Willen haben, sich um sie zu kümmern, sich Zeit zu nehmen und dabei auch in Kauf nehmen, dass Kinder zu haben, auch Arbeit bedeutet und dass man manchmal auf etwas verzichten muss und dass Kinder eben da sind, ein Leben lang.

Ganz egal, ob ihr mal Kinder haben wollt oder nicht, ganz egal ob ihr da schon mal drüber nachgedacht habt, oder ob der Gedanke (noch) ganz weit weg ist - Kinder wollen nur eins: lieb gehabt werden. Und euch manchmal einfach nur die Collage erklären, die sie gerade gebastelt haben.
Weitere Quellen: Titelbild: madochab / photocase.com

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