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dbna'ler des Monats

Chris aus Frankfurt am Main

Von DBNA Team
Chris aus Frankfurt am Main
Chris/dbna

Chris (19) aus Frankfurt am Main spricht über sein Coming-out bei seinen Eltern und in der Schule sowie über seinen Ex, der sich prostituierte. Der dbna'ler des Monats Oktober 2012.

Chris, Dein Coming-out bei deinen Eltern lief weniger toll ab. Gerade dein Vater spielte eine unschöne Rolle. Wie lief das denn insgesamt ab?
Chris: Mein Coming-out bei meinen Eltern hatte ich mit ca. 16 Jahren und es stellte sich als wirklich schwierige Aktion hinsichtlich meines Vaters heraus. Meine Eltern sind getrennt und ich lebte damals bei meiner Mutter in der Gegend von Heidelberg. Deswegen habe  ich mich als erstes bei ihr geoutet. Es gab auch keine Probleme, ich habe es ihr einfach sagen können.Sie hatte es sogar schon geahnt und fand es wirklich gut, dass ich ihr endlich die Wahrheit gesagt habe.

Aber bei meinem Dad war es deutlich schwieriger. Ich hatte große Bedenken ihm alles zu erzählen und mich wirklich bei ihm zu outen, da meine Familie väterlicherseits eher konservativ erzogen ist. Ich wollte ihm erst nichts erzählen, aber es kam dann alles anders. Ausgerechnet auf dem Weg in den Urlaub nach Italien kam alles raus, das allerdings nicht ganz freiwillig.

Ich habe mit einem Jungen per Handy gechattet, in den ich damals verliebt war. An einer Raststätte habe ich das Handy im Auto liegen gelassen und mein Vater konnte alles lesen. Während der Autofahrt fragte er mich auf einmal, ob ich Jungs attraktiv finden würde und schon mal etwas mit einem Jungen gehabt hätte. Ich war geschockt, weil ich da noch nicht verstand, wie er auf diese Idee gekommen war. Ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen und rückte erst mal nicht mit der Sprache heraus. Aber als er anfing über Schwule Witze zu reißen, konnte ich es nicht mehr für mich behalten und schrie zu ihm: " Ja, ich bin schwul und was jetzt?!" Mein Vater war dann sofort still und sagte daraufhin auch nichts mehr anderes.

Diese Autofahrt (die noch 5 Stunden andauerte) wurde zu längsten und unangenehmsten Fahrt meines bisherigen Lebens. Wir schwiegen uns beide die ganze Fahrt an und versuchten auch aneinander nicht anzuschauen. Als wir endlich unser Ziel erreicht hatten, meinte er, dass er mich nicht verstehen könne, da Frauen doch viel attraktiver sein würden und man als Junge doch keinen Jungen lieben könne. Ich gab darauf keine Antwort und ging ihm einfach nur noch aus dem Weg, da ich das als Schwachsinn empfand was er von sich gab. Außerdem hatte ich keine Lust auf ein Gespräch mit ihm, das so oder so zu nichts geführt hätte. Aber er meinte dann paar Tage später, nach wieder langem gegenseitigem Anschweigen, dass er "meine Neigung" akzeptieren würde. Ich antwortete darauf nichts, da ich ihm nicht wirklich geglaubt habe.

Diese Akzeptanz von ihm sollte sich auch bald als Lüge herausstellen. Er fragte mich fast jeden Tag, was ich denn an Jungs so toll finden würde, versuchte irgendwelche Frauen auf mich attraktiv wirken zu lassen, hängte sogar bei mir im Zimmer einfach mal ein Playboy-Kalander auf und teilte mir mit, dass doch bitte niemand in seinem geschäftlichen oder privaten Umfeld davon ("meiner Neigung")  erfahren solle, da es einem nur den Ruf kaputt machen würde.

Das war in den ersten Monaten nach meinem Coming-out, in denen durfte ich auch keinen Jungen mit nach Hause bringen. Als ich meinen Vater nach langen Diskussionen überredet hatte, dass ich Jungs mit nach Hause nehmen darf und auch einen Freund hatte, wurde es leider auch nicht besser. Mein Freund durfte nicht in den Bereichen sein,  in denen sich mein Vater aufhielt, küssen war auch nur da erlaubt, wo es keiner sehen konnte und Sex war damals im  Haus meines Vaters tabu. Was uns aber nicht wirklich aufgehalten hat, es trotzdem alles zu tun.

Aber besonders krass fand ich die Situation, als eine Freundin bei mir war und mein Vater fragte, ob sie ein Date von mir wäre und ich nun doch endlich "auf dem Weg der Besserung" wäre. Ihm war es total egal, dass mein damaliger Freund in dem Moment direkt neben ihm stand. Ich fühlte mich nicht mehr wie sein Sohn und ein Teil der Familie, sondern viel mehr wie ein unerwünschter Eindringling.
Chris/dbna
Wie stehen deine Eltern heute dazu?
Chris: Mit meiner Mutter und meinem Stiefvater ist alles super, ich kann meinen Freund dabei haben und ich werde so angenommen, wie ich bin. Aber bei meinem Dad und meiner Stiefmutter bin ich mir bis heute nicht ganz sicher, ob sie mich wirklich so akzeptieren, wie ich bin, oder ob das alles doch nur eine vorgespielte Akzeptanz darstellt, um ungewollten Konfrontationen aus dem Weg zu gehen. Konfrontationen, die meinem Vater wohl nur im Weg stehen würden, da er auch öfters die Hilfe von mir in seiner Firma benötigt. Ob ich für ihn mehr als eine Arbeitskraft darstelle, die er braucht und deswegen nichts gegen meine sexuelle Orientierung äußert, das kann ich leider nicht beantworten.

In der Schule bist du mit deinem Coming-out ziemlich aufgefallen und du hast ja auch kein Problem damit sehr offen damit umzugehen. Wie lief das denn ab?
Chris: Mein Coming-out außerhalb der Familie stellte für mich kein großes Problem dar, da ich der Meinung war und auch noch bin, dass man sich nicht verstecken und sein Leben so leben soll, wie man es für richtig hält, solange es keinem anderen schadet. Außerdem kommt Akzeptanz auch nicht davon, wenn man sich versteckt!

Man muss zeigen, dass Homosexuelle/Bisexuelle überall präsent sind, ein Teil dieser Gesellschaft darstellen und genauso ticken wie alle anderen. Aus dem Grund habe ich mir bei meinem Coming-out in der Schule auch nichts gedacht. Aber eigentlich war es kein richtiges Coming-out im klassischen Sinne.- Ehrlich gesagt war es mir sogar egal, ob man weiß oder nicht weiß, dass ich schwul bin. Wenn ich hetero wäre, würde ich ja auch nicht zu den Leuten gehen und sagen: "Hey, ich bin Chris, 19 und  hetero."

Aus dem Grund bin ich auch nicht in der Schule rumgelaufen und habe mich bei jedem geoutet. Ich habe einfach einen Jungen mitten auf dem Schulhof geküsst, da ich ihn geliebt habe und es ihm auch zeigen wollte. Innerhalb von rund zwei Minuten war daraufhin die Hälfte der Schule um uns versammelt und staunte nicht schlecht, dass es auch hier bei ihnen Homosexuelle gibt. Nach der Aktion wusste ich dann auch, wer wirklich zu einem hält und wer einfach nur ein falscher Freund war.

Es gab dann auch ein paar beleidigende Sprüche aus den hinteren Reihen (z.B. "Schwuchtel", "schwule Sau", etc.). Aber mir war das ziemlich egal, da für mich nur die Person gezählt hat, die ich liebte, und die anderen, die einen beleidigten, nur  Personen waren, die für mich ohne Bedeutung waren und in meinen Augen auch nur intolerante Feiglinge darstellten. Ich konfrontierte diese Personen auch persönlich, dabei wurden sie dann meist ziemlich kleinlaut und gaben dann auch nichts mehr von sich.

Eine Sache war aber trotzdem problematisch, meine damalige Ex-Freundin. Mit ihr war ich zuvor (vor dem Coming-out) zusammen, merkte allerdings während der Beziehung mit ihr, dass mein Interesse an Männern extrem stieg und das an Frauen sehr stark nachließ. Innerhalb der Beziehung outete ich mich nur bei ihr als bisexuell, musste jedoch die Beziehung nach einiger Zeit beenden, da meine Bisexualität in die Homosexualität überging. Sie hat es zu meiner Überraschung verstanden und akzeptiert.  Aber die Schulhofaktion war wohl zu viel für sie gewesen und sie rastete komplett aus bzw. ihre besten Freundinnen gingen auf mich los, da sie nicht verstanden oder verstehen wollten, dass ich jetzt mit einem Jungen etwas hatte.

Du hast von falschen Freunden gesprochen. Hat denn dein Coming-out auch Auswirkungen auf deinen Freundeskreis gehabt?
Chris: Ja! Durch mein Coming-out stellte sich heraus, wen ich wirklich einen Freund nennen konnte und wen nicht. Zum Beispiel gab es da einen Freund, bei dem ich dachte, die Freundschaft würde alles überstehen und ewig halten. Wir konnten über alles reden und haben jeden Tag etwas unternommen. Aber als er dann erfuhr, dass ich schwul bin, beleidigte er mich, ging mir aus dem Weg und brach dann schließlich den Kontakt ab, da er nichts mit "Schwuchteln wie mir" zu tun haben wollte. Er meinte sogar, dass ich ihm lieber niemals in die Quere kommen solle, da er sonst nicht wüsste, wie er reagieren würde, ob er mich sogar schlagen würde. Das war für mich damals eine schlimme Erfahrung. Sie hat mir aber die Augen geöffnet, wie ein noch viel zu großer Anteil unserer Gesellschaft  über Homosexuelle denkt und, dass ich mich aber nicht nach ihnen richten darf, da ich ansonsten an der Intoleranz von ihnen zerbrechen würde.

Aber auf der anderen Seite entstanden viele neue Freundschaften gerade durch mein Coming-out. Alles in allem hatte das Coming-out  insgesamt mehr positive Aspekte als negative Aspekte. Besonders an unserer Schule: Die Toleranz stieg, es trauten sich dann auch andere zu outen, darunter meine Ex-Freundin als bisexuell, und so wurde Homosexualität ein Teil des alltäglichen Lebens an unserer Schule.
Chris/dbna
Wie gehst du überhaupt im familiären Umfeld mit deinem jetzigen Freund um?
Chris: Mit meinem jetzigen Freund scheint alles gut zu funktionieren. Mein Vater macht keinen Stress mehr. Aber die Familie meiner Stiefmutter darf bis heute nichts von meiner Homosexualität wissen. So waren wir mal dort zu Besuch für eine Woche und mussten uns verstellen, als Heteros rüberkommen. Was sich in manchen Situationen als sehr schwierig erwies

Mit deinem Ex hattest du ja eher schlechte Erfahrungen. Was war das genaue Problem?
Chris: Er war einer meiner ersten festen Beziehungen. Es war eine Beziehung mit vielen Hochs, aber mit genauso vielen Tiefs. Nach paar Monaten in der Beziehung gestand er mir, dass er sich früher prostituiert habe und es gerne wieder machen wolle, da er mehr Geld brauche. Diese Aussage schockte mich, aber ich war zu sehr in ihn verliebt und machte deswegen wohl einen großen Fehler: Ich gab ihm freie Bahn für die Prostitution. Aus einmal in der Woche einen Kunden haben wurde dann fast täglich einer. Und so mancher Kunde sollte sich später nicht mehr als Kunde heraus stellen

Und Du hast vorher gar nicht gewusst, dass er sich prostituierte? Wie bist du mit der Thematik überhaupt umgegangen?
Chris: Ich habe vorher nichts davon geahnt und brauchte auch etwas Zeit um damit klarzukommen. Letztendlich akzeptierte ich seinen "Beruf" aus Liebe zu ihm. Es war immer wieder verrück zu hören, wenn er alles als Kunden hatte: bekannte Politiker, Manager, Unternehmer, die offiziell als hetero gelten und manchmal sogar eine Familie hatten. Aber es gab Aktionen, die mich echt manchmal fertig gemacht haben, zum Beispiel, dass er selbst an meinem 18. Geburtstag  einen Kunden noch eingeschoben hatte, obwohl er versprochen hatte, nichts zu machen, oder Kunden auch in unserem Bett hatte. Trotzdem kam für mich aber damals Schluss machen nicht in Frage.

War das denn letztlich auch der Trennungsgrund?
Chris: Der Trennungsgrund war nicht seine Prostitution, sondern, dass er nicht ganz ehrlich zu mir war und nicht nur Kunden, sondern auch zum Spaß mit anderen Jungs etwas hatte und mich somit mehrmals betrogen hatte. Außerdem hatten wir uns auseinander gelebt und beendeten dann beide die Beziehung.

Warst du selbst jemals in einer Beziehung untreu?
Chris: Nein, innerhalb einer Beziehung war ich nicht untreu. Wenn man in einer Beziehung merkt, dass es doch nicht passt, sollte man lieber Schluss machen, bevor man untreu wird und jemanden zu stark verletzt.

Zum Schluss: Sex und Liebe sind für dich was?
Chris: Bei mir ist Sex eine von mehreren guten Möglichkeiten, seine Liebe dem Partner zu offenbaren. Deswegen ist Prostitution für mich auch keine Option. Der beste Sex ist immer noch zwischen zwei Verliebten. Sex als Liebesbeweis untereinander. Für mich ist Liebe, die tollste Sache der Welt, die nicht mal einen einzigen Cent kostet und für jeden erreichbar sein kann.
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