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Sex, Drugs and Coming-out

Von Fabian
Sex, Drugs and Coming-out
iStockPhoto.com / Brasil2 - Model-/Symbolfoto

Homosexuelle Jugendliche haben ein anderes Drogenkonsumverhalten als heterosexuelle Gleichaltrige. Gezielte Präventionsmaßnahmen wollen dagegen etwas tun.

Ein Glas Wein. Zum Einschlafen, zum Runterkommen. Weißwein, halbtrocken, aus Deutschland. Vom Supermarkt, 1.99 Euro. Schmeckt nicht besonders, aber verfehlt seine Wirkung nicht. Marius ist 17, schwul, er wohnt in einem kleinen Dorf in der Eifel. Er weiß seit gut einem Jahr, dass er auf Jungs steht. Seit zwei Monaten wissen es auch seine wichtigsten Freunde. "Ich habe es ihnen im Vertrauen gesagt", erinnert er sich. Es gab überhaupt keine schlechten Reaktionen, alle kamen gut damit zurecht. Nur konnte es einer nicht für sich behalten - und plauderte das Geheimnis aus.

Wie Marius stehen während der Pubertät Jugendliche vor tiefgreifenden Veränderungen und Probleme. Für Marius war es das Coming-out. Für andere gehört dazu, sich vom Elternhaus abzunabeln, sich beruflich zu orientieren oder sich einen Freundeskreis aufzubauen. "Kommt dann noch die Auseinandersetzung mit der eigenen Homosexualität hinzu, kann das einen Risikofaktor darstellen", sagt Matthias Koll vom Schwulen Netzwerk NRW e. V. Wenn dazu noch Diskriminierung und Mobbing kommt, befinden sich Jugendliche oft in einer bedrückenden Situation. "Immer wenn jemand mit einer komplizierten Lage zu kämpfen hat, ist er anfälliger, diese mit Suchtmitteln erträglicher zu machen", erklärt der 25-jährige Student, der sich beim Projekt Rausch&Risiko des Schwulen Netzwerks NRW e.V. engagiert.

Bei Marius verbreitete sich die Nachricht in Windeseile in der ganzen Schule.
Bei Marius verbreitete sich die Nachricht in Windeseile in der ganzen Schule.
iStockPhoto.com / asiseeit - Model-/Symbolfoto

Genau in solch eine Lage geriet auch Marius. Er ist zwar nicht süchtig nach Alkohol, dass für ihn alkoholische Getränke aber ein Mittel zum Abschalten sind, kann gefährlich werden. Bislang lief immer alles glatt. Ordentliche Noten in der Schule, ein gutes Verhältnis zur Familie, kein großer, aber dafür umso besserer Freundeskreis. Auf sein Coming-out reagierten seine Freunde gelassen. "Alle anderen in der Schule dafür aber umso weniger", erzählt der 17-Jährige. Dass Marius schwul ist, verbreitete sich in dem kleinen Gymnasium, das er besucht, wie ein Lauffeuer. "Dumme Kommentare höre ich oft, etwa in der Umkleidekabine vor dem Sportunterricht. Aber auch ein Schwuchtel! auf dem Gang ist nicht selten."

Die Statistik der Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport Berlin aus dem Jahr 1999 zeigt, dass junge Homosexuelle öfter zu Suchtmitteln greifen als Heterosexuelle im gleichen Alter. "Lesbische und schwule Jugendliche reagieren auf anhaltende Diskriminierung oft mit Suchtverhalten. Fast zwei Drittel der lesbischen und 44% der schwulen Jugendlichen haben schon einmal mit Alkohol oder Drogen auf Coming-out-Probleme reagiert", besagt die Statistik. Da es zu diesem Thema nur sehr wenige Untersuchungen sowie vor allem kaum flächendeckende Studien gibt, sind die Zahlen nicht eindeutig. Dennoch zeigt sich, dass ein belastendes Coming-out die Bereitschaft erhöht, Suchtmittel zu konsumieren. Grund dafür ist nicht die sexuelle Orientierung an sich, sondern die Gesellschaft, die oftmals Druck ausübt oder zu Diskriminierung neigt.

"Dumme Kommentare höre ich oft, etwa in der Umkleidekabine vor dem Sportunterricht.", Marius (17).
"Dumme Kommentare höre ich oft, etwa in der Umkleidekabine vor dem Sportunterricht.", Marius (17).
iStockPhoto.com / asiseeit - Model-/Symbolfoto

Doch nicht nur schlechte Erfahrungen mit dem Coming-out führen dazu, dass homosexuelle Jugendliche öfter zur Flasche oder Zigarette greifen. Wie bei Heteros auch, sind Alkohol und Nikotin auch Gesellschaftsdrogen. "Ein Drink auf einer Party kann locker machen, gute Laune bringen und Hemmungen senken angetrunken flirtet es sich für viele leichter", sagt Matthias Koll. Gerade beim Rauchen ist der Gruppenzwang auch ein entscheidender Faktor. "Außerdem hilft Nikotin auch beim Stress, den viele Homosexuelle haben."

Eine amerikanische Studie fand heraus, dass Schwule und Lesben doppelt so häufig wie Heteros rauchen. Fast vier von fünf Befragten konsumieren täglich Tabak. Zwar lässt sich diese Studie nicht eins zu eins auf Deutschland übertragen, doch den Trend bestätigen auch Kolls Erfahrungen. Mit zielgruppengerechter Prävention wollen Projekte wie Rausch&Risiko gegen solche Zahlen ankämpfen.

"Wir können weder die Gesellschaft noch die Drogen selbst verändern. Deshalb setzen wir direkt an den Betroffenen an", sagt er. Sie wollen Jugendliche in ihren Persönlichkeiten so stark machen, dass sie den Versuchungen Stand halten. "Sie sollen lernen, wann und wie sie ein Suchtmittel bewusst nutzen können", erklärt der 25-Jährige. Vor allem muss ihnen klar werden, "dass man ohne Marihuana chillen oder ohne Alkohol feiern kann", ergänzt er.

Es gibt auch andere - gesunde - Aktivitäten die einen in eine Art Rausch versetzen können.
Es gibt auch andere - gesunde - Aktivitäten die einen in eine Art Rausch versetzen können.
iStockPhotos.com / XiXinXing - Model-/Symbolfoto

Dafür gibt es verschiedene Wege. Ein Besuch im Klettergarten zum Beispiel, "das ist ja irgendwie auch ein Rausch nicht umsonst spricht man vom Adrenalin-Kick." Auch der Suchtmittelkoffer mit verschiedenen Methoden ist ein wichtiger Bestandteil der Präventionsarbeit. Das Schwule Netzwerk NRW verteilt ihn in schwul-lesbischen Jugendzentren. Darin befinden sich zum Beispiel Rauschbrillen. "Setzt man so eine auf, sieht man die Welt wie ein Betrunkener", erklärt Matthias. Dann können die Jugendlichen probieren, wie schwer es etwa ist, im alkoholisierten Zustand ein Kondom zu benutzen.

Schokolade kommt als Methode zum Einsatz, um zu lernen, was bewusst genießen bedeutet. Sich ein kleines Stück des schwarzen Goldes auf der Zunge zergehen zu lassen, ist wahrer Genuss. "Dabei kann man fragen, wie sich die Jugendlichen fühlen oder was sie denken." Aber auch das spielerische Lernen über die verschiedenen Suchtmittel gehört dazu. Was ist legal, was illegal? Woraus ist eigentlich Koks? Und wie wirkt Alkohol? Das sind nur einige Fragen, die etwa das Sucht-Memory beantwortet.

Weitere Quellen: Dieser Artikel erscheint in Zusammenarbeit mit dem Magazin out!, iStockPhotos.com: Brasil2, asiseeit, XiXinXing - Model-/Symbolfoto

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